Anderer Zugang zum Thema: welches Werk?!?

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quartzman
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Anderer Zugang zum Thema: welches Werk?!?

Beitrag von quartzman »

Nabend Leute,

für einige Außenstehende mögen meine threads etwas "wirr" aussehen - sind sie sicherlich auch! Das liegt daran, dass es so viel "tolle" Uhren gibt, dass ich schier erschlagen vom Angebot bin und wirklich in Entscheidungsnot komme.
Der Thomas hat mir bis jetzt gedanklich die spannendsten Anregungen geschrieben, die letzte ist auch der Anlaß, diesen Thread zu starten:

Da Design ja bekanntermaßen immer Geschmackssache ist, ist es vielleicht bei meiner Technik-Verliebtheit eine gute Idee, den Zugang von "der anderen Seite" zu starten, sprich vom Werk her, und Design dann erst bei Notwendigkeit zu diskutieren.

Das Titoni T10 liest sich da schon sehr interessant, vor allem, dass es bei 28.800bph trotzdem diese riesige Gangreserve schafft und unabhängig von ETA und Sellita ist, finde ich super. Also wirklich ein "Geheimtipp", jedenfalls für Neulinge wie mich (und es gibt sogar einen Händler in der mittelbaren Nähe, wo ich mal hinfahren könnte).
Was gibt es denn da noch so für Werke, jetzt erstmal egal ob Manufaktur oder "leicht" modifiziertes ETA oder Sellita, die interessant sind? Gibt es Miyota mit COSC? Oder Seiko? Baut Oris vielleicht was Spannendes, oder irgendeine andere "Microbrand"?
Bis jetzt gefunden habe ich an Werken noch Longines L888.4, Sellita SW300, Powermatic 80. Alle haben sie aber mehr oder weniger Abstriche im Vergleich zum Titoni, zumindest auf dem Papier.

Also, was gibt es noch?
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Thomas H. Ernst
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Re: Anderer Zugang zum Thema: welches Werk?!?

Beitrag von Thomas H. Ernst »

Ich hab das mal in die Technik-Ecke verschoben weil es ja hier eher um Technik geht ...
quartzman hat geschrieben: 13 Feb 2024, 23:48 Da Design ja bekanntermaßen immer Geschmackssache ist, ist es vielleicht bei meiner Technik-Verliebtheit eine gute Idee, den Zugang von "der anderen Seite" zu starten, sprich vom Werk her, und Design dann erst bei Notwendigkeit zu diskutieren.
Das ist das was viele Uhrensammler die sich mehr für die Werke als das Design interessieren, auch tun. Exemplare vor der Quarzkrise sind da sehr begehrt, es gab Werkehersteller zuhauf, so mancher der früher nur Rohwerke gebaut hat ist heute Uhrenhersteller geworden. Leider ist der Markt hier ziemlich leer gegrast und wenn man etwas findet ist es meist ziemlich teuer oder Schrott.
Gibt es Miyota mit COSC? Oder Seiko?
Kann ich mir nicht vorstellen. Eine C.O.S.C Prüfung kostet mehr als ein Werk aus der Einsteigerklasse wert ist, ich glaube kaum dass ein Uhrenhersteller gewillt wäre diese Kosten zu tragen. Abgesehen davon muss das Werk vor der Prüfung aufwändig reguliert werden damit es diese überhaupt bestehen kann.

Mehr dazu weiter unten.
Baut Oris vielleicht was Spannendes, oder irgendeine andere "Microbrand"?
Microbrands fallen mir gerade nicht ein, Oris hat zwei Inhouse-Kaliber Serien 1xx und 4xx, ich habe allerdings keine praktisch Erfahrung damit. Es gibt hier im Forum jedoch Eigner, vielleicht meldet sich einer zum Thema. Preislich liegen diese Oris allerdings deutlich im vierstelligen Bereich.
Bis jetzt gefunden habe ich an Werken noch Longines L888.4, Sellita SW300, Powermatic 80. Alle haben sie aber mehr oder weniger Abstriche im Vergleich zum Titoni, zumindest auf dem Papier.
Papier ist geduldig, ein berühmter Fussballer schrieb einmal: Grau is’ im Leben alle Theorie – aber entscheidend is’ auf’m Platz.
Also, was gibt es noch?
Naturgemäss jede Menge, aber schauen wir uns doch einmal an wie so ein Uhrwerk funktioniert und auf was es ankommt.

Das Bild zeigt die Grundfunktionen eines Uhrwerks mit Schweizer Ankerhemmung, diesem Prinzip folgt die Mehrheit aller mechanischen Uhrwerke die weltweit produziert werden.
Bild

Links sieht man die Energiequelle, eine Metalldose mit einer Feder darin, die über die Krone und das Kronrad aufgezogen wird. Das Sperrrad verhindert, dass sich die Feder in Gegenrichtung entspannt. So ein Federhaus dreht sehr langsam mit durchschnittlich fünf Umdrehungen pro Tag. Über das Grossbodenrad (auch Minutenrad genannt weil es den Minutenzeiger trägt) wird diese Drehung nun auf 24 Umdrehungen pro Tag übersetzt, ein darüber gestülptes Rohr mit Wechselrad wird so untersetzt dass es zwei Umdrehungen pro Tag macht, hier kommt der Stundenzeiger drauf.

Über das Kleinbodenrad wird das Sekundenrad angetrieben, es dreht sich 1'440 Mal pro Tag und trägt den Sekundenzeiger. im Anschluss folgt nun die sogenannte Hemmung.

Bild
(c) Volker Vyscocil

Diese besteht aus dem Ankerrad, dem Anker, der Unruh und der Unruhspirale. Die Hemmung sorgt dafür, dass das Räderwerk kontrolliert abläuft, die Zeiger sich nicht wie Propeller drehen und das Federhaus schlagartig entspannt wird. Sie ist das Zeit gebende Element, mit ihr steht und fällt die Gangleistung der Uhr.

Die Unruh schwingt dank ihrer Spiralfeder mit bis zu 330° (darüber ist nicht gut) hin und her, sie stellt somit ein Drehpendel dar. Damit das gut funktioniert, muss sie perfekt ausgewuchtet sein und die Spirale muss eine definierte Elastizität, Form und Lage haben damit sie sich gleichmässig entfalten und zusammenziehen kann. Ein kleiner Finger (Rolle) bewegt dabei die Ankergabel hin und her, dieser gibt das Ankerrad jeweils für einen kurzen Moment frei sodass das Räderwerk ein kleines Stück weiter rückt. Meist schwingt die Unruh mit 28'800 Halbschwingen pro Stunde, es gibt aber auch schnellere und ziemlich viele langsamere. Der Anker blockiert nicht nur das Räderwerk in Intervallen (Fall), er liefert auch die Energie für die Unruh indem er sie immer wieder an schubst (Impuls). Deshalb haben die beiden Palettensteine des Ankers eine definierte Form mit Gleitflächen und müssen präzise eingepasst werden.

Womit wir nun zur Qualität eines Uhrwerks kommen.

Prinzipiell funktionieren ja alle gleich, viele verfügen noch über einen Aufzugrotor der ein- oder beidseitig über Klinkenräder in den Bereich des Kronrads eingreift, manche verfügen über Zusatzfunktionen wie Kalender, Chronograph, Mondphase und ... und ... und, das Prinzip ist immer gleich. Die Qualität, also die Haltbarkeit, die Ganggenauigkeit und die Unempfindlichkeit gegenüber äusseren Einflüssen, hat nichts mit diesem Prinzip zu tun sondern liegt einzig im Aufwand des Herstellers begründet.

Nehmen wir einmal die Hemmung. Das Schwingsystem sollte sich weder durch Magnetismus noch durch Temperaturänderung beeindrucken lassen, es sollte sich auch schnell von Stössen erholen. Im Idealfall werden besondere Materialien im Bereich des Unruhreif und der Spirale verwendet. Bei moderne Konstruktionen kommt hier auch Silizium zum Einsatz. Das Paaren von Spirale und Unruh erfolgt Computer unterstützt, ebenso das Auswuchten. Die Zapfen der Triebe werden aus gehärteten Stählen gefertigt, die Kontaktflächen schwarz poliert. Bei Spiralen gibt es unterschiedliche Formen wie z.B. die Breguet-Spirale die für gleichmässige Kontraktion sorgt, bei vielen hochwertigen Uhrwerken wird die Gangjustage auch nicht mehr über einen Rückerzeiger sondern über Masseschrauben an der Unruh vorgenommen, dies ist zwar aufwändiger, lässt die Unruh aber frei schwingen und beseitigt einen Nachteil des Rückers.

Omega hat z.B. eine abweichende Hemmung mit koaxialen Hemmungsrädern bei denen keine Gleitreibung auftritt. Da diese Bereiche nicht geschmiert werden müssen, gibt es keinen Einfluss durch falsche Anwendung von Schmiermitteln.

Ein wesentlicher Punkt bei Hemmungen ist der Isochronismus, also die Unabhängigkeit der Schwingungsdauer von der Schwingungsweite. Die Schwingungsweite hängt einerseits von der Effizienz des Räderwerks und andererseits von der Federspannung ab, dies sollte nach Möglichkeit keinen Einfluss auf die Dauer, also den Gang, haben.

Weiter geht es mit dem Räderwerk. Es muss einerseits ohne grosses Spiel und andererseits möglichst leicht laufen, damit nicht zu viel Energie aus dem Federhaus verloren geht (Gangreserve). Zahnräder und Triebe müssen also extrem präzise gefertigt werden, in hochwertigen Werken werden auch die Kontaktflächen der Zahnräder poliert und das Höhenspiel der Lagersteine justiert. Das Ganze ist eine Wissenschaft für sich, nennt sich Tribologie, und erfordert in der Fertigung einen extremen Aufwand und somit Kosten.

Das wesentliche Qualitätsmerkmal eines guten Uhrwerks ist nicht, wieviele Sekunden pro Tag es vor- oder nachgeht, das kann man nachjustieren, sondern wie gut es reguliert ist, also wie gering die Gangabweichung zwischen den verschiedenen Positionen (flache Lagen: Zifferblatt oben/unten, hängende Lagen: Krone oben, unten, rechts, links) ist und über welchen Zeitraum und bei welchen Temperaturen das Uhrwerk in der Lage ist, diese Werte einzuhalten.

Hier trennt sich nun die Spreu vom Weizen gewaltig. Uhrwerke von Kenissi (Tudor) und Rolex, um nur ein paar Beispiele zu nennen, laufen derart präzise dass bei der Sommer/Winterzeit-Umstellung nur ein paar wenige Sekunden zu kompensieren sind. Aktuell habe ich im Test einen Chronographen von Longines der zwischen den Lagen grade mal 3s/Tag Differenz aufweist, man muss die Uhr schon eine Woche tragen bis man eine Abweichung erkennen kann. Eine Submariner aus 2011 kann ich auf die Zeitwaage legen und sie zeigt die selben Werte wie im Neuzustand an. Ein Uhrwerk aus der Einstandsklasse kann ich zehnmal hintereinander messen und bekomme zehn verschiedenen Resultate.

Fazit, oder "Langer Rede, kurzer Sinn"

Es kommt nicht so sehr auf das Werk an sich an, sondern darauf wieviel Aufwand bei der Produktion betrieben wird und welche Werkstoffe zum Einsatz kommen. Als die ETA noch in grossem Rahmen Uhrwerke an Konzern fremde Kunden verkauft hat, gab es alleine vom 2824-2 acht verschiedene Varianten die im Preis um den Faktor 15 auseinander lagen. Vom 2892-A2 waren es immerhin noch vier Varianten. Wohlgemerkt: Das gleiche Werk, nur unterschiedlich gebaut und mit unterschiedlichen Werkstoffen. Für den Laien ist das praktisch nicht zu erkennen, ein Uhrenhersteller kann somit mächtig Geld sparen.

Heute ist das nicht mehr so dramatisch, ETA ist recht transparent, sie weisen die Unterschiede zwischen den drei 2824-Nachfolgern C07.1xx (Kunststoffhemmung), C07.6xx (Nivaflex Hemmung) und C07.8xx (Silizium Hemmung) schon durch die Referenznummer aus.

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Aufwand den der Uhrenhersteller betreibt, gerade bei preisgünstigen Uhrwerken, höher zu bewerten ist als der Typ des Uhrwerks. Eine Uhr mit einem günstigen Miyota oder Seiko Werk, welches durch den Uhrenhersteller optimiert wurde, kann durchaus besser laufen als eine Uhr von einem Anbieter der zwar teurere Werke ankauft aber unbehandelt einschalt. Hier sehe ich gerade in den unteren Preissegmenten den Vorteil von Microbrands. Die sind engagiert und wollen eine zufriedene Fangemeinde, dementsprechend wird auch Aufwand beim SAV betrieben. Namentlich sei hier Dan Henry und Zelos erwähnt, die Problemchen unbürokratisch und speditiv gelöst haben.

Man kann bei diesen Brands also beruhigt schauen was gut gefällt und bekommt i.d.R. eine ordentliche Qualität und einen guten Service zu einem angemessenen Preis.
Grüsse Thomas
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Paulchen
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Re: Anderer Zugang zum Thema: welches Werk?!?

Beitrag von Paulchen »

Danke Thomas, deinen Beitrag solltest du irgendwie anpinnen, oder in die FAQ stellen.
:thumbsup:
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Heinz-Jürgen
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Re: Anderer Zugang zum Thema: welches Werk?!?

Beitrag von Heinz-Jürgen »

Paulchen hat geschrieben: 14 Feb 2024, 13:28 Danke Thomas, deinen Beitrag solltest du irgendwie anpinnen, oder in die FAQ stellen.
:thumbsup:
Sehe ich auch so. :thumbsup:

Kleine Anschlussfrage: würde die COSC überhaupt Werke von Seiko annehmen? Ich dachte immer, das Verfahren sei auf „Suisse Made“ beschränkt.

Edit: gefunden https://www.cosc.swiss/sites/default/fi ... 017-DE.pdf
Grüße aus dem Pott

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lottemann
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Re: Anderer Zugang zum Thema: welches Werk?!?

Beitrag von lottemann »

Heinz-Jürgen hat geschrieben: 14 Feb 2024, 13:38
Paulchen hat geschrieben: 14 Feb 2024, 13:28 Danke Thomas, deinen Beitrag solltest du irgendwie anpinnen, oder in die FAQ stellen.
:thumbsup:
Sehe ich auch so. :thumbsup:

Kleine Anschlussfrage: würde die COSC überhaupt Werke von Seiko annehmen? Ich dachte immer, das Verfahren sei auf „Suisse Made“ beschränkt.

Edit: gefunden https://www.cosc.swiss/sites/default/fi ... 017-DE.pdf
Jep. Nachdem sie in den 60ern von den Japanern kräftig auf die Mütze bekommen haben :rofl:
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Re: Anderer Zugang zum Thema: welches Werk?!?

Beitrag von Heinz-Jürgen »

lottemann hat geschrieben: 14 Feb 2024, 13:46
Heinz-Jürgen hat geschrieben: 14 Feb 2024, 13:38
Paulchen hat geschrieben: 14 Feb 2024, 13:28 Danke Thomas, deinen Beitrag solltest du irgendwie anpinnen, oder in die FAQ stellen.
:thumbsup:
Sehe ich auch so. :thumbsup:

Kleine Anschlussfrage: würde die COSC überhaupt Werke von Seiko annehmen? Ich dachte immer, das Verfahren sei auf „Suisse Made“ beschränkt.

Edit: gefunden https://www.cosc.swiss/sites/default/fi ... 017-DE.pdf
Jep. Nachdem sie in den 60ern von den Japanern kräftig auf die Mütze bekommen haben :rofl:
Ja. Ich wusste das. Aber der Respekt vor dem Schweizer Forum… :whistling:
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Re: Anderer Zugang zum Thema: welches Werk?!?

Beitrag von quartzman »

Wow! Danke, Thomas, eine so ausführliche und verständliche Reaktion habe ich nicht erwartet :thumbsup:

Das ist als Grundlage schonmal super - jetzt fehlen nur noch die Reaktionen von Menschen, die Einschätzungen geben können und wollen, was die Werke selbst angeht. Also wie gut oder schlecht ein Werk ist (am Besten auch unter Beantwortung von "Warum"), und wie es dann in Relation zu anderen zu betrachten ist.
Man könnte z.B. anfangen wie "ein Titoni T10 ist besser als ein Sellita SW200-1, weil...". Das ist für Menschen, die sich in der Materie auskennen, schnell geschrieben, und wenn man dann mehr wissen will, kann man sich selbst einlesen oder, wenn nichts zu finden ist, hier nochmal nachfragen.
Ich jedenfalls traue mir nicht zu, zu beurteilen, ob ein Titoni T10 mit COSC besser ist als ein Sellita SW300 mit COSC - oder ein anderes, welches in vergleichbaren Sphären wie das Titoni T10 spielt. Mir fehlt ja schon das Wissen, ob der einseitige Aufzug durch den Rotor im T10 ein Nach- oder ein Vorteil ist.
Es muss ja auch nicht COSC-zertifiziert sein. Wenn ein Werk vergleichbar gut ist, ist das ja auch toll. So eine Zertifizierung kostet ja auch immer Geld, eventuell gibt es ja Hersteller, die Werke produzieren, die so gut sind, dass sie da mithalten können, eben nur nicht "offiziell" - ich denke da an die schon genannten Japaner.

Und ja, mir ist klar, dass da dann preislich alles "nach oben offen" ist. Aber ich denke, wenn man so eine Art "ranking" oder Baumstruktur hätte, wie ein Werk einzuordnen ist, dann kann man sich ja selbst entscheiden. Dabei ist es IMHO auch egal, ob die Meinungen an einigen Stellen durch die Subjektivität divergieren - entscheiden muss man sowieso selbst, das kann einem niemand abnehmen.

LG
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Re: Anderer Zugang zum Thema: welches Werk?!?

Beitrag von MCG »

Genau, und da kommen wir zum Kern der Sache! Wie du aus dem Beitrag von Thomas ersiehst, gibt es oft X verschiedene Varianten vom gleichen Werk. Dementsprechend ist das extrem schwierig zu beurteilen, wie viel besser ein ETA Type X zum Beispiel gegenüber einem Sellita Werk Type Y ist. Kommt hinzu, dass bei Marken, oftmals noch nachgearbeitet wird, falls nicht gar eigene Manufaktur Werke benutzt werden. Und auch hier wieder: ist Manufaktur besser als ein Schweizer Standardwerk?

Vielleicht merkst du, auf was ich hinaus will…

Das ist der Hauptgrund, wieso wir uns hier eher mit Schweizer, deutschen und französischen Produkten auseinandersetzen, die Ausnahme bestätigt die Regel: zum Beispiel Grand Seiko.

Die Qualität der Produkte, speziell der Werke, ist einfach generisch betrachtet um Faktoren besser als fernöstliche Ware. „Periode“ - wie die Englisch sprechenden Leute sagen würden… 😉
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Paulchen
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Re: Anderer Zugang zum Thema: welches Werk?!?

Beitrag von Paulchen »

MCG hat geschrieben: 14 Feb 2024, 14:16 Die Preise der Produkte, speziell der Werke, ist einfach generisch betrachtet um Faktoren größer als fernöstliche Ware.
Hier kommt die Relativitätstheorie zum Tragen. ;-)

Ich besitze ja auch "fernöstliche Ware"
Bild
Bild

und die sind relativ gut. :mrgreen:

BTW
Im Zuge des "Relaxen" ;-) bin ich auf die Mecaquartzwerke aufmerksam geworden.
https://calibercorner.com/seiko-caliber-vh31/
https://calibercorner.com/hattori-sii-caliber-vk63/
Ich könnte mir vorstellen, da mal zuzuschlagen.
Auf die Schnelle aus der Box geholt und fertig.
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Re: Anderer Zugang zum Thema: welches Werk?!?

Beitrag von quartzman »

MCG hat geschrieben: 14 Feb 2024, 14:16 Genau, und da kommen wir zum Kern der Sache! Wie du aus dem Beitrag von Thomas ersiehst, gibt es oft X verschiedene Varianten vom gleichen Werk. Dementsprechend ist das extrem schwierig zu beurteilen, wie viel besser ein ETA Type X zum Beispiel gegenüber einem Sellita Werk Type Y ist. Kommt hinzu, dass bei Marken, oftmals noch nachgearbeitet wird, falls nicht gar eigene Manufaktur Werke benutzt werden. Und auch hier wieder: ist Manufaktur besser als ein Schweizer Standardwerk?

Vielleicht merkst du, auf was ich hinaus will…
Ja, und genau das will ich ja herausfinden. Mit "Vielleicht merkst Du" ist da nicht geholfen. Vielleicht einfach mal was im Sinne der Anfrage antworten, dann sehen wir ja, ob was dabei heraus kommt. Hier im Forum sind Teilnehmer mit weit über 20k Beiträgen. Da werden doch wohl welche sein, die neben Stammtisch-Geplänkel auch fachliche Inhalte beitragen können. Ob das dann irgendwann unübersichtlich wird, wird man sehen, aber wenn man nicht anfängt mit der faden Begründung "es gibt so viel", dann wird man das nie erfahren.
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Re: Anderer Zugang zum Thema: welches Werk?!?

Beitrag von Paulchen »

quartzman hat geschrieben: 13 Feb 2024, 23:48 Da Design ja bekanntermaßen immer Geschmackssache ist, ist es vielleicht bei meiner Technik-Verliebtheit eine gute Idee, den Zugang von "der anderen Seite" zu starten, sprich vom Werk her, und Design dann erst bei Notwendigkeit zu diskutieren.
Also, was gibt es noch?
IMHO kann man das nicht getrennt betrachten.
Ein schönes, gutes Werk in einer häßlichen Uhr?
Ein wunderschöne Uhr mit einem 08/15 Werk?
Die Gesamtheit macht es aus.

Im Archiv von Roland Ranfft (mal sehen was daraus wird) gab es IIRC über 10.000 verschiedene Werke
und das ist nicht das Ende der Fahnenstange.
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Re: Anderer Zugang zum Thema: welches Werk?!?

Beitrag von MCG »

Paulchen hat geschrieben: 14 Feb 2024, 14:46
MCG hat geschrieben: 14 Feb 2024, 14:16 Die Preise der Produkte, speziell der Werke, ist einfach generisch betrachtet um Faktoren größer als fernöstliche Ware.
Hier kommt die Relativitätstheorie zum Tragen. ;-)

Ich besitze ja auch "fernöstliche Ware"
Bild
Bild

und die sind relativ gut. :mrgreen:

BTW
Im Zuge des "Relaxen" ;-) bin ich auf die Mecaquartzwerke aufmerksam geworden.
https://calibercorner.com/seiko-caliber-vh31/
https://calibercorner.com/hattori-sii-caliber-vk63/
Ich könnte mir vorstellen, da mal zuzuschlagen.
Auf die Schnelle aus der Box geholt und fertig.
Genau - höherer Aufwand, gleich höhere Kosten, und das speziell natürlich in der Schweiz und in angrenzenden Ländern… Ist so… wir leben ja auch hier, die Lebenshaltungskosten sind halt auch ganz anders als im fernen Osten… :idea:
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Re: Anderer Zugang zum Thema: welches Werk?!?

Beitrag von MCG »

quartzman hat geschrieben: 14 Feb 2024, 14:57
MCG hat geschrieben: 14 Feb 2024, 14:16 Genau, und da kommen wir zum Kern der Sache! Wie du aus dem Beitrag von Thomas ersiehst, gibt es oft X verschiedene Varianten vom gleichen Werk. Dementsprechend ist das extrem schwierig zu beurteilen, wie viel besser ein ETA Type X zum Beispiel gegenüber einem Sellita Werk Type Y ist. Kommt hinzu, dass bei Marken, oftmals noch nachgearbeitet wird, falls nicht gar eigene Manufaktur Werke benutzt werden. Und auch hier wieder: ist Manufaktur besser als ein Schweizer Standardwerk?

Vielleicht merkst du, auf was ich hinaus will…
Ja, und genau das will ich ja herausfinden. Mit "Vielleicht merkst Du" ist da nicht geholfen. Vielleicht einfach mal was im Sinne der Anfrage antworten, dann sehen wir ja, ob was dabei heraus kommt. Hier im Forum sind Teilnehmer mit weit über 20k Beiträgen. Da werden doch wohl welche sein, die neben Stammtisch-Geplänkel auch fachliche Inhalte beitragen können. Ob das dann irgendwann unübersichtlich wird, wird man sehen, aber wenn man nicht anfängt mit der faden Begründung "es gibt so viel", dann wird man das nie erfahren.
Alles klar… Quarzman … :mrgreen:
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Re: Anderer Zugang zum Thema: welches Werk?!?

Beitrag von Thomas H. Ernst »

quartzman hat geschrieben: 14 Feb 2024, 14:03 Wow! Danke, Thomas, eine so ausführliche und verständliche Reaktion habe ich nicht erwartet :thumbsup:
Dafür simmer doch da.
Das ist als Grundlage schonmal super - jetzt fehlen nur noch die Reaktionen von Menschen, die Einschätzungen geben können und wollen, was die Werke selbst angeht
Es wird halt eine Weile dauern bis alle mal wieder ins Forum und in diesen Thread geguckt haben, es werden aber sichlich noch brauchbare Aussagen über Microbrands kommen.
Also wie gut oder schlecht ein Werk ist (am Besten auch unter Beantwortung von "Warum"), und wie es dann in Relation zu anderen zu betrachten ist.
Man könnte z.B. anfangen wie "ein Titoni T10 ist besser als ein Sellita SW200-1, weil...". Das ist für Menschen, die sich in der Materie auskennen, schnell geschrieben, und wenn man dann mehr wissen will, kann man sich selbst einlesen oder, wenn nichts zu finden ist, hier nochmal nachfragen.
Darum habe ich ja den Beitrag geschrieben. Von vielen Uhrenfreunden kannst Du das natürlich nicht erwarten, wer z.B. über keine Zeitwaage verfügt, kann nicht sehen wie die Gangqualität eines Werks ist. Man sieht es dem Werk ja nicht an und alle paar Tage mal mit der Funkuhr zu vergleichen trifft es eben auch nicht.

Ich versuche das mal zu erläutern: Stelle Dir vor Deinem geistigen Auge eine lange, lange Strasse vor, so wie z.B. hier, 10 Meilen lang, jede Fahrbahn 10 Fuss breit.
Bild

Nun schickst Du zwei Personen auf dem Mittelstreifen los, sie sollen möglichst exakt auf diesem gelben Streifen laufen. Der eine setzt stur Fuss vor Fuss auf die gelbe Linie und kommt am Ende auch exakt in der Strassenmitte am Ziel (Monument Valley) an. Der andere ist stockbesoffen, torkelt von einer Strassenseite zur anderen, wird durch jeden Windhauch abgelenkt und stolpert über jeden Stein, kommt aber am Ende auch recht nahe der Strassenmitte an.

Nun stellt sich also die Frage, warum der ganze Aufwand wenn doch nach 10 Meilen der Säufer kaum schlechter als der Profi da steht?

Ganz einfach. Das permanente Abweichen hängt von äusseren Einflüssen ab (Seitenwind, Steine, zugeführter Alkohol), auf eine Uhr übersetzt: Trageverhalten, bestehend aus Tragezeit, Temperatur und Bewegungsmuster. Die Uhr wird also bei unterschiedlicher Nutzung und unterschiedlichen Jahreszeiten unterschiedlich laufen was eine Justierung des Gangs sehr schwierig macht.

Natürlich kann man versuchen, durch konsequentes Protokollieren der Stände über längere Zeiträume einen Korrekturfaktor zu finden der möglichst nahe an Null heran kommt, aber klappen wird das nie wirklich zumal diese simplen Justierorgane vieler preisgünstiger Werke auch die Tendenz zeigen sich mit der Zeit von selbst zu verstellen. Kein Wunder, denn z.B. bei einem 4R35 bedeuten 0,1mm am Rücker 30-40 s/Tag Gangänderung. Ohne externe Mikroschraube ist da nix zu reissen ohne dass man nach Stunden erfolglosem Hin- und Hers Amok läuft.
Ich jedenfalls traue mir nicht zu, zu beurteilen, ob ein Titoni T10 mit COSC besser ist als ein Sellita SW300 mit COSC - oder ein anderes, welches in vergleichbaren Sphären wie das Titoni T10 spielt. Mir fehlt ja schon das Wissen, ob der einseitige Aufzug durch den Rotor im T10 ein Nach- oder ein Vorteil ist.
Ein einseitiger Aufzug ist grundsätzlich kein Nachteil, bestes Beispiel das weit verbreitete ETA 7750. Dass es nur in einer Richtung aufzieht, macht es durch höhere Effizienz im Getriebe und mehr Drehmoment wieder wett.

Ich kann auch nicht beurteilen ob ein T10 besser als ein SW-200 ist. Grundsätzlich vermutlich sowieso nicht, einige Komponenten stammen aus den selben Quellen. Menschen mit mehreren Uhren tendieren gerne dazu verschiedene Uhrwerke zu besitzen. Ich zum Beispiel möchte keine 5 Uhren mit dem selben Werk, ich habe eines mit ETA, eines mit Tudor, zwei verschiedene Omega Kaliber und eine Rolex. Ich müsste jetzt auch keinen zweite Rolex haben. Da ist das T10 für mich natürlich interessanter als ein SW-200. Bei Titoni gehe ich auch davon aus dass sie ihre Inhouse-Entwicklung gut pflegen während Selitta ein Massenhersteller wie damals ETA ist. Das kann gut sein, ich hatte aber auch schon ganz miese Exemplare.
Es muss ja auch nicht COSC-zertifiziert sein. Wenn ein Werk vergleichbar gut ist, ist das ja auch toll. So eine Zertifizierung kostet ja auch immer Geld, eventuell gibt es ja Hersteller, die Werke produzieren, die so gut sind, dass sie da mithalten können, eben nur nicht "offiziell" - ich denke da an die schon genannten Japaner.
Ja sicher, ein ordentlich gemachtes Werk kann dieser Prüfung stand halten, viele Premiummarken haben ihre internen Messlatten allerdings wesentlich höher gehängt. Und richtig, es kostet Geld, es garantiert auch nicht sehr viel da die Werke vor dem Einschalen geprüft werden, da kann dann noch viel passieren bis die Uhr fertig ist. Im Premiumsegment wird die fertige Uhr geprüft (z.B. METAS). Das muss in der Einsteigerklasse nicht sein, würde die Uhr nur unnötig verteuern.
Und ja, mir ist klar, dass da dann preislich alles "nach oben offen" ist. Aber ich denke, wenn man so eine Art "ranking" oder Baumstruktur hätte, wie ein Werk einzuordnen ist, dann kann man sich ja selbst entscheiden. Dabei ist es IMHO auch egal, ob die Meinungen an einigen Stellen durch die Subjektivität divergieren - entscheiden muss man sowieso selbst, das kann einem niemand abnehmen.
Das ist eben schwierig, das mit dem Ranking. Es kommt natürlich noch ein weiterer Aspekt mit ins Spiel, das sind die Fertigungstoleranzen die sich am Ende als Streuung in der Gangleistung zeigen. Wenn Seiko z.B. für das 4R35 einen täglichen Gang von -35 bis +45 s/Tag toleriert (Myjota hat da ähnliche Werte) dann ist eigentlich schon klar dass man beim Uhrenkauf eben Glück oder Pech haben kann. Ich hatte mal eine Seiko Diver die lief vom Start weg ganz gut, hatte auch erträgliche Schwankungen, ein weiteres Exemplar mit dem selben Werk war eine völlige Katastrophe, ich habe dann das Werk getauscht. Du wirst also beim Ranken immer auf solche Streuungen stossen. Nur mal als Beispiel was so geht: Rolex Biel justiert innerhalb -0,5 und +1 s/Tag, das müssen die Werke dann 6 Wochen lang liefern bevor sie nach Genf gehen. Dort testen die die fertigen Uhren nochmal auf die selbe Toleranz. Gut, das sind andere Preise, wollte nur darauf hinweisen was machbar ist.

Am Besten wäre es, wenn Du noch ein wenig rum schaust was Dir grundsätzlich gefallen würde und dann hier gezielt nachfragst ob jemand schon Erfahrungen damit gesammelt hat.
Grüsse Thomas
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Re: Anderer Zugang zum Thema: welches Werk?!?

Beitrag von mezdis »

quartzman hat geschrieben: 14 Feb 2024, 14:03 ... jetzt fehlen nur noch die Reaktionen von Menschen, die Einschätzungen geben können und wollen, was die Werke selbst angeht. Also wie gut oder schlecht ein Werk ist (am Besten auch unter Beantwortung von "Warum"), und wie es dann in Relation zu anderen zu betrachten ist.
Man könnte z.B. anfangen wie "ein Titoni T10 ist besser als ein Sellita SW200-1, weil...". Das ist für Menschen, die sich in der Materie auskennen, schnell geschrieben, und wenn man dann mehr wissen will, kann man sich selbst einlesen oder, wenn nichts zu finden ist, hier nochmal nachfragen.
Ich antworte mal "im Sinne der Anfrage":
Natürlich sind solche Vergleiche schnell geschrieben. Nur nützen werden sie absolut nichts. Auch wenn einige Mitglieder hier 20'000+ Beiträge geschrieben haben, so besitzt keiner von ihnen 20'000+ Uhren (Koksi und Hertie mal ausgenommen :mrgreen: ). Es ist in meinen Augen absolut sinnlos, EINE Uhr mit Werk X mit EINER Uhr mit Werk Y zu vergleichen. Man müsste mindestens mehrere hundert Uhren mit dem gleichen Werk testen und anschliessend vergleichen. Wie Thomas grad auch geschrieben hat, gibt es Fertigungstoleranzen und viele andere Punkte, welche jedes einzelne Werk beeinflussen.

Aber ich gebe trotzdem mal einen Startschuss für deine Tabelle:
Mein IWC Cal. 69385 läuft an meinem Handgelenk etwas genauer als mein IWC Cal. 59215 :wink:
___________
Gruss mezdis
Antworten